„Nicht den Schlaf rauben, aber umsorgen“
Dr. Gerhard Conrad hat wahrscheinlich schon alles gesehen. Nur darüber reden darf er nicht.
Das bringen die jahrzehntelangen Einsätze für den Geheimdienst mit sich. Es braucht jedoch keine vertraulichen Informationen aus abgehörten Telefonaten, um zum Schluss zu gelangen, dass Deutschlands Nachrichtendienste sich für die Bedrohungen der zwanziger Jahre neu aufstellen müssen.
Die Zeitenwende, die uns seit dem Krieg in der Ukraine, zum Umdenken in der Außenpolitik zwingt, stellt neue Anforderungen an unsere offizielle Diplomatie, aber auch an unseren Auslandsgeheimdienst, den Bundesnachrichtendienst. Und für eben jenen BND hat Gerhard Conrad in herausgehobenen Funktionen gearbeitet. Das, was bekannt ist, klingt beeindruckend. Er hat als zentraler Vermittler in Geiseldramen zwischen Akteuren im Nahen Osten verhandelt und das Europäische Center für Spionageabwehr aufgebaut. Für seine Verdienste erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Entsprechend groß war der Andrang als Gerhard Conrad Ende März nach Hermsdorf kam, um in exklusivem Kreis und auf Einladung der örtlichen CDU und Jungen Union die Frage zu beantworten, vor welchen außenpolitischen Herausforderungen die Bundesrepublik Deutschland steht und welche Kompetenzen unser Nachrichtendienst zukünftig benötigt, um diese zu bewältigen und Schutz zu gewährleisten.
Mit klarer Stimme und humorvoll aufbereitet sprach er in der Freizeitstätte Hermsdorf zunächst über das Verhältnis von Nachrichtendiensten zu Militär und politischen Entscheidungsträgern. Anschließend analysierte er die Situation, in der sich Europa und Deutschland seit zwei Jahren befinden.
Seine aktuelle Lagebeurteilung war dabei ebenso einfach wie eindrücklich. Gerhard Conrads zentrale Botschaft lautete: Die derzeitige Bedrohungslage für Deutschland muss uns nicht den Schlaf rauben, aber umsorgen. Auch, weil die unmittelbaren Zeichen zunächst nicht auf Entspannung zu stehen scheinen.
Und weil wir uns nicht auf die Hoffnung verlassen können, dass alles von alleine gut werden würde, müssen wir uns auf den Umgang mit weiteren Krisen vorbereiteten. Dazu gehöre nach Aussage von Gerhard Conrad ebenso die Instandsetzung von Militär und Stärkung von Resilienzfähigkeit der Zivilbevölkerung, wie die Verbesserung von nachrichtendienstlichen Aufklärungsfähigkeiten. Das koste zwar Geld, vor allem brauche es aber den politischen Willen, technische Möglichkeiten auch gesetzlich zu erlauben. Zu oft seien potenzielle Fähigkeiten in der Vergangenheit zugunsten des Datenschutzes nicht ausgenutzt worden, stellte er fest.
Im Anschluss an diese grundsätzliche Einordnung bot sich den anwesenden Gästen die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Es ist nicht überraschend, dass davon gerne Gebrauch gemacht wurde. So sollte Gerhard Conrad etwa beantworten, wie die Deutschen Nachrichtendienste im internationalen Vergleich aufgestellt seien und ob er glaube, dass eine andere Bundesregierung dem BND weitreichendere Kompetenzen zugestehen würde.
Nach anderthalb Stunden beendete der Vorsitzende der Jungen Union, Richard Gamp, die Veranstaltung, in dem er sich bei Dr. Gerhard Conrad für die spannenden Einblicke und bei den Gästen für die zahlreichen Fragen bedankte. Sie quittierten es mit Applaus.
Der Hermsdorfer CDU-Vorsitzende, Marvin Schulz, zeigte sich im Nachgang der Veranstaltung ebenfalls zufrieden. „Sicherheit ist der zentrale Wert unserer Gemeinschaft. All unsere Bestrebungen müssen darauf ausgerichtet sein, Sicherheit zu garantieren. Dazu gehört auch die Aufklärung der Bevölkerung und dazu haben wir heute in Hermsdorf hoffentlich einen kleinen Teil beigetragen“, stellte er fest.